Den Leuten gefiel es sichtlich am Samstag in der Marktstraße bei der Eröffnung des neuen Schmuckkästchens der Stadt.
Auch der offizielle Teil war gut gemacht: Keine lange Reden, das Ganze aufgeteilt auf drei Stationen mit etwas Bewegung zwischendurch. Einigen aber fiel auf, dass etwas fehlte. Niemand erbat den Segen von oben für die neu gestaltete Straße, wie das sonst bei der Übergabe großer Projekte Tradition ist. Sollte sich jetzt auch die Stadt auf dem direkten Weg in den Atheismus befinden?
Bürgermeisterin Irmgard Krammer wusste die theologische Erklärung. Sie hatte sehr wohl die beiden Pfarrer Stefan Mai und Jean-Pierre Barraud zum Segnen eingeladen. Doch die hätten erklärt, dass die Marktstraße ja kein Neubau, sondern nur eine Sanierung wäre und deswegen der kirchliche Segen nicht unbedingt nötig sei.
Wenn schon der Segen von höchster Warte ausblieb, so kam er doch wenigstens aus dem Umland. Was die Kolitzheimer Bezirksrätin Christine Bender sagte, ging den Gerolzhöfer Geschäftsleuten natürlich runter wie Öl. Auch für die Bürger aus dem Umland sei die neue Marktstraße ein Gewinn, denn „wir sind schon immer nach Gerolzhofen gegangen und werden auch weiterhin in unser Einkaufsstädtchen Gerolzhofen gehen.“
Beim Bummeln durch die Straße entwickelten sich viele Gespräche. Dass die neue Marktstraße jemandem überhaupt nicht gefiel, war nirgends zu hören. Höchstens etwas mehr Grün könnte sie vertragen, sagten einige. Naja, im November ist das so eine Sache. Doch das nächste Frühjahr kommt bestimmt.
Dass die Marktstraße ohne Autos viel schöner ist, sagten auch einige. Sie sollte wenigstens ab und zu mal zu besonderen Anlässen für Autos gesperrt werden. Andere waren radikaler und wollten die Blechkarossen gleich ganz aus dieser schönen neuen Straße verbannen.
Nun wollen wir abwarten, wie in dieser Straße ohne Bordsteine und Hindernisse Autofahrer und Fußgänger miteinander zurecht kommen. Auch davon wird die mit viel Geld angestrebte neue Lebensqualität abhängen. Euer Gerolzhöfer Moisle

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